MyFit - Wearable für Senioren zur Demenzprävention Selbstevaluierung der mental-kognitiven Hirnfunktionen

Anita Hökelmann/Bernhard Grässler/Ulrich Thiel

Bericht über EFRE Projekt:

Entwicklung eines neurophysiologischen Messsystems zur Selbstevaluation der Hirnfunktion

Entwicklung neuer Lösungen der Korrelation zwischen Demenz und Bewegungsaktivität sowie Durchführung und Auswertung der klinischen Studie

Im Rahmen des Verbundprojekts: FuE Projekt ZS/2018/08/94206

„MyFit - Wearable für Senioren zur Demenzprävention Selbstevaluierung der mental-kognitiven Hirnfunktionen“

Da es bis dato keine wirksame medikamentöse Behandlung gegen Alzheimer gibt, sondern lediglich symptomatische Behandlungsformen und die exakten neurophysiologischen Mechanismen, die zu der Erkrankung führen, unbekannt sind, ist eine frühzeitige Erkennung von neurodegenerativen Veränderungen unabdingbar für die Einleitung von präventiven Maßnahmen. Das Konstrukt der leichten kognitiven Beeinträchtigung (englisch MCI: mild cognitive impairment) kann hierbei helfen. MCI äußert sich in leichten kognitiven Beeinträchtigungen, die objektiv oder subjektiv beurteilt werden können. Die Aktivitäten des täglichen Lebens sind jedoch nicht beeinträchtigt, so dass die Person ihr Alltagsleben selbstständig bestreiten kann. Allerdings sind bereits neurodegenerative Veränderungen im Gehirn, die anhand von bildgebenden Messungen sichtbar werden, vorhanden (Jongsiriyanyong und Limpawattana 2018). Diese Veränderungen können sich durch Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denkvermögen äußern.

Untersuchung zu Biomarkern, die einen frühzeitigen Ausbruch einer neurodegenerativen Erkrankung identifizieren, ist ein Schwerpunkt der aktuellen Forschung geworden (Atri 2019).

Daher wurde folgendes Projekt initiiert.

antragstellende Einrichtung Anschrift Einrichtung Projektleiter dienstliche Kontaktdaten der Projektleitung (Telefon, E-Mail)
ifak system GmbH Oststr. 18, 39114 Magdeburg Thorsten Szczepanski 0391/54456311, tsz@ifak-system.com
Strehlow GmbH Havelstr. 23, 39126 Magdeburg Christoph Strehlow 0391/505660 christoph.strehlow.info
Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Institut III der FHW Sportwissenschaft, Anita Hökelmann, PF 4120, 39016 Magdeburg Prof. Dr. habil. Anita Hökelmann 0391/6754727, anita.hoekelmann@ovgu.de
DZNE Magdeburg Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg Prof. Dr. med. Notger Müller 0391/6724519 notger.mueller@dzne.de
 

Bearbeiter: Dr. Bernhard Grässler

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Die dargestellte Begleitstudie für das Projekt MyFit wurde vom Lehrstuhl Sport & Technik der Universität Magdeburg in Kooperation mit der Abteilung für Neurologie der medizinischen Fakultät geplant, organisiert und durchgeführt. Die Auswertung der HRV-Daten wurde vom Lehrstuhl Sport & Technik durchgeführt. Die Ergebnisse belegen, dass sich kognitiv gesunde Personen von Personen mit MCI hinsichtlich der durchgeführten kognitiven Aufgaben unterscheiden und insbesondere während der kognitiven Belastung zeigten die MCI-Probanden verringerte HRV-Werte. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich eine beginnende Neurodegeneration in Veränderungen der kardialen autonomen Kontrolle widerspiegeln. Daher könnten Parameter aus der HRV-Analyse in Zukunft dazu dienen bei einer Identifikation einer MCI, die sich später zu einer Alzheimer Demenz entwickeln könnte, zu unterstützen. Anhand der Studienergebnisse kann jedoch nicht eindeutig belegt werden, dass sich die HRV alleine eignet, um kognitiv gesunde Personen von Personen mit MCI, die durch Neurologen diagnostiziert wurde, eindeutig zu differenzieren. Um die Ergebnisse zu bestätigen und zu untermauern, sollten insbesondere größere Probandengruppen untersucht werden und Langzeitstudien durchgeführt werden, um die Zusammenhänge zwischen Neurodegeneration und kardialer autonomer Kontrolle besser zu verstehen. Der Einschluss von Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium einer Demenz könnte weitere wertvolle Hinweise auf die parallele Veränderung von zerebralen Strukturen, kognitiver Leistungsfähigkeit und HRV liefern. Schließlich wurden den Probanden in der vorliegenden Studie zahlreiche Fragebögen vor und nach der Intervention ausgeteilt. Die Auswertung dieser Daten ist noch nicht abgeschlossen, da sie einen hohen Personalaufwand bedarf. Anhand der Fragebögen können aber interessante Hinweise auf die Entstehung des Zusammenhangs zwischen HRV und kognitiver Leistung gegeben werden. Außerdem sollte der Einfluss von Medikamenten intensiver beleuchtet werden.

Basierend auf der Analyse der HRV, können wir für den Bau des Prototyps des neurophysiologischen Messsystems folgende Empfehlungen geben.

Um valide Daten aufzuzeichnen, ist eine Aufnahmefrequenz von mindestens 500 Hz, besser 1000 Hz, notwendig, um die NN-Intervalle und Artefakte präzise genug zu erfassen.

Das zu bauende System muss ein integriertes Programm zur Identifikation und Bereinigung von Artefakten beinhalten.

Da es keine allgemeingültigen Normwerte für die HRV gibt, sind mehrere Messungen, unter standardisierten Bedingungen notwendig, um den individuell optimalen Bereich zu erkennen. Die Messung sollte nicht nur im Ruhezustand, sondern auch während einer kognitiven Belastung stattfinden.

mittlere Herzfrequenz 

Abbildung 1: Ergebnisse mittlere Herzfrequenz über alle Bedingungen für MCI und Kontrollgruppe. Werte dargestellt als Mittelwerte.

High frequency power 

Abbildung 2: Ergebnisse HF power über alle Bedingungen für MCI und Kontrollgruppe. Werte dargestellt als Mittelwerte.

Der letzte Punkt gilt ebenso für die fNIRS-Untersuchung, da es bis dato fast keine Untersuchungen der hämodynamischen Aktivität während einer Ruhemessung gibt. Bisher wurden die fNIRS-Parameter oxyHb und deoxyHb stets während einer (kognitiven) Aufgabe gemessen und mit der unmittelbar davor liegenden Baselinemessung verglichen, um die Konzentrationsänderungen von der Baseline zur Aufgabe zu erheben. Die Studienergebnisse der fNIRS-Daten belegen, dass sich die Auswertung der hämodynamischen Aktivität als diffizil darstellt, da die Gruppendifferenzen wenig deutlich zum Vorschein kommen. Insofern sollten weitere fNIRS-Untersuchungen mit MCI und gesunden Probanden unternommen werden, um den Einfluss einer neurodegenerativen Veränderung auf die hämodynamische Aktivität bei kognitiver Belastung besser zu verstehen. Aus ökonomischen Gründen konnte die fNIRS-Messung nur mit Optoden, die am präfrontalen Kortex platziert waren, durchgeführt werden. Messungen am gesamten Kortex würden wesentlich zeitaufwendiger und für den Probanden weitaus unangenehmer sein, könnten aber mehr Informationen über die hämodynamische Aktivität über den gesamten Kortex liefern. Weiter Ergebnisse sollten durch den Partner DZNE Magdeburg, Prof. Dr. Notger Müller geliefert werden.

Bezüglich der EEG-Messung sollte die Datenerhebung während einer kognitiven Aufgabe erfolgen, da die Studienlage dazu eindeutig zu dem Schluss kommt, dass sich während kognitiver Belastungen gesunde Probanden von Personen mit MCI stärker unterscheiden. Die Auswertung der EEG-Daten der MyFit-Studie oblagen Dr. Milos Dordevic/DZNE Magdeburg. Da bislang keine Auswertung erfolgt ist, wurden die Daten durch uns an Frau Prof. Dr. Herbert an die Uni in Ulm verschickt. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es einen signifikanten Unterschied zwischen den cerebralen Aktivitäten und den elektrischen Potentialen in den untersuchten Gehirnarealen im Vergleich zwischen MCI Patienten und gesunden Senioren gibt.

Das bedeutet, dass der Weg zur Früherkennung von demenziellen Erkrankungen über langfristige Messungen eingeschlagen werden kann und weiterhin Forschungskapazität bereitgestellt werden sollte.

Literaturverzeichnis:

Jongsiriyanyong, Sukanya; Limpawattana, Panita (2018): Mild Cognitive Impairment in Clinical Practice: A Review Article. In: American journal of Alzheimer's disease and other dementias 33 (8), S. 500–507. DOI: 10.1177/1533317518791401.

Atri, Alireza (2019): The Alzheimer's Disease Clinical Spectrum: Diagnosis and Management. In: The Medical clinics of North America 103 (2), S. 263–293. DOI: 10.1016/j.mcna.2018.10.009.

 

Mehrere wissenschaftliche Artikel wurden während dem Projektzeitraum eingereicht und publiziert (Übersicht als PDF)

 

 

 

Letzte Änderung: 31.01.2023 - Ansprechpartner: